markus spiske nvKQ1kxheRc unsplash cr scaled

Lieber Sven Streibel

Ein Brief von Paul an den Chefanlagestrategen der DZ Bank.

Lieber Sven Streibel,

ich hoffe, Du bist mir nicht böse, wenn ich ‚du‘ zu Dir sage, weil Du kennst mich ja gar nicht (klar darfst Du mich auch duzen).

Du bist doch der Chefanlagestratege von der DZ Bank, oder?

Dann kennst Du Dich doch so richtig gut aus mit Aktien und Kapitalmarkttheorie und so?

Ich brauche nämlich Deine Hilfe. Du hast heute was im Handelsblatt geschrieben, was mein Papa nicht verstanden hat. Das weiß ich genau, weil er immer nur den Kopf geschüttelt hat, als er den Artikel gelesen hat. Das macht er immer, wenn er was nicht versteht. Später hat er dann geschimpft und irgendwie nicht mehr so gute Laune gehabt.

Ich hab nicht geschimpft. Ich hab mir gedacht, ich frag Dich jetzt einfach mal, was Du da eigentlich gemeint hast.

Das Handelsblatt zitiert Dich ganz groß in dem Artikel Lohnen sich noch Welt-ETFs (26.09.2023):

„Die Idee hinter dem MSCI World folgt dem Vorbild der nobelpreisprämierten Portfoliotheorie nach Markowitz. Er ist theoretisch maximal diversifiziert. Der Weltaktienmarkt ist nun mal so aufgestellt.“

Kann das sein, dass Du da vielleicht ein kleines bisschen was durcheinandergebracht hast?

Mein Papa meint, in der Portfoliotheorie nach Markowitz gibt’s keinen Weltaktienmarkt. Da kommt doch nur raus, dass für jeden Marktteilnehmer ein individuelles, optimales Portfolio aus allen Anlagemöglichkeiten existiert. Das sieht aber doch für jeden Anleger immer ein bisschen anders aus? Und dass Diversifikation auch streng theoretisch gesehen Sinn macht.

Kann das sein, dass Du vielleicht eher das CAPM gemeint hast, also das Capital Asset Pricing Model? Das denke ich mir, weil da gibt’s doch ein effizientes Marktportfolio, mit dem man das Beta einer Anlage ermitteln kann.

Das CAPM baut auf der Portfoliotheorie auf, kam aber doch erst viel später, der Markowitz war mit seiner Portfoliotheorie da schon fast 10 Jahre fertig. Und gebaut haben das doch ganz andere als er?

Und: was Du mir unbedingt nochmal genauer erklären musst: Warum ist der MSCI World denn theoretisch maximal diversifiziert? Wie kommst Du denn auf so eine komische Idee? Das sagt doch weder Markowitz noch das CAPM? Mein Papa meint, dass doch jedes Kind weiß, dass das maximal diversifizierte Portfolio das ist, das die ‚Diversification Ratio‘ maximiert, also das Verhältnis des gewichteten Durchschnitts aller Einzelvolatilitäten zur Portfoliovolatilität.

Da schaut’s beim MSCI World ziemlich schlecht aus, meint mein Papa. Mein Papa kann Dir ganz leicht ein Portfolio bauen, sagt er, das den Markt super abbildet und gleichzeitig weniger schwankt, weil es viel effizienter diversifiziert ist. Und er meint, dass er dazu sogar nur ungefähr ein Sechstel der knapp 1.500 Aktien aus dem MSCI World braucht. Und er meint, dass der MSCI World deshalb sogar ziemlich schlecht diversifiziert ist.

Hat mein Papa wirklich recht? Du stehst doch in der Zeitung. Und was in der Zeitung steht, stimmt doch immer, oder?

Ist der MSCI World nicht einfach nur ein einfacher kapitalmarktgewichteter Index ohne viel Theorie-Schnickschnack? Na, wir zwei wissen doch, dass es die erste Idee dafür schon lange vor Markowitz gab. Die war von dem Charles Dow. Hat er 1897 gehabt, gute 50 Jahre vor Markowitz.

Ich hab jedenfalls nicht so richtig verstanden, was Du da eigentlich gemeint haben könntest.

Du, und noch eine Frage: Ich hab gehört, dass Portfoliotheorie und dem CAPM zwar super gut zum Rechnen gehen und so, aber viel zu strenge Annahmen haben, als dass sie in der Praxis so richtig gut funktionieren. Und dass sie deshalb gar keinen so großen Nutzen haben in der Praxis. Stimmt das? Was sagst Du denn dazu?

In der Hoffnung auf Antwort. Ich such nämlich noch wen, der mein Taschengeld richtig gut anlegt.

Dein Paul

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert