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Investieren 2025 und danach – Aufbruch in eine neue Epoche

Dieser Artikel ist einer der wichtigsten, die du in diesem Blog finden wirst.

Zumindest, wenn du dein Geld in den nächsten Dekaden risikobewusster und gewinnbringender anlegen möchtest, als wahrscheinlich 90 % aller Privatanlegerinnen und Privatanleger.

Er erklärt dir in einfachen Worten, warum wir uns gehörig umstellen müssen, wenn wir in Zukunft erfolgreich investieren wollen.

Denn alles deutet darauf hin, dass wir an den Finanzmärkten gerade mitten in einer tiefgreifenden Zeitenwende stecken – am Anfang einer ganz neuen Epoche, in der Renditen nicht mehr so üppig sprudeln werden, Investieren insgesamt schwieriger wird und in der liebgewonnene Anlagekonzepte wie das Weltportfolio ihre fulminante Performance der letzten Dekaden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wiederholen werden.

Und er sagt dir, wie du dich darauf vorbereiten kannst.

Es geht ums große Ganze – also hol dir nen Keks und lies los.

Die Alte Welt: Die letzten Dekaden waren außergewöhnlich

Wenn man Leuten lauscht, die in der Investment-Community einen Namen haben, wie Ray Dalio, Howard Marks, Anti Illmanen oder Lyn Alden sind die Veränderungen, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten, nicht einfach nur Teil des üblichen zyklischen Hin und Her, sondern Auswirkungen einer ‚Neuen Zeit‘, in der sich die Marktkräfte substanziell anders verhalten werden, als wir es aus den letzten Dekaden gewohnt sind.

Das ist kein Grund zur Panik. Aber das verlangt danach, dass wir unser Verständnis und unser Denken über Investieren auf den Prüfstand stellen. Denn sich blind an das zu klammern, was in der Vergangenheit am besten funktioniert hat, wird nicht mehr zum Erfolg führen.

Dazu will dieser Artikel beitragen.

Die letzten vier Jahrzehnte waren besonders. Sie waren von außerordentlich hohen Aktiengewinnen geprägt.

Ein Reseach Piece der Deutschen Bank aus dem Jahr 2020 (leider nicht mehr online) hat die Renditen verschiedener Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Immobilien oder Gold über einen Zeitraum von 200 Jahren verglichen. Bei US-Aktien – dem immer noch größten und wichtigsten Markt der Welt – wird deutlich:

Drei der renditemäßig stärksten fünf Dekaden seit 1900 lagen innerhalb der letzten 40 Jahre.

Die Renditen lagen zwischen 13,5 % bis rund 18 % pro Jahr (allerdings liegt in diesem Zeitraum auch die schlechteste Dekade: Die 2000er nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Die Rendite war im Schnitt aber verhältnismäßig wenig negativ: -0,95 % pro Jahr).

Der Anstieg von US-Aktien in den anderen 18 Dekaden war im Schnitt mit knapp 8 % etwa nur halb so stark. Ähnlich ist die Lage bei den Anleihen:

Seit 1980 lag die jährliche Rendite von US-Staatsanleihen im Schnitt bei rund 7,8 % pro Jahr, während sie in den vorherigen 18 Dekaden nur auf rund 4,6 % pro Jahr kamen.

In diesen 40 Jahren sind die US-Märkte allen anderen Märkten sprichwörtlich davongelaufen. Entsprechend hoch ist das USA-Gewicht in den großen, weltweit investierenden, nach Marktkapitalisierung gewichteten Indizes wie dem MSCI World (70,1 %) oder dem MSCI ACWI-Index (63,8 %) geworden.

MSCI ACWI

(Quelle: MSCI, eigene Berechnungen)

Diese Indizes sind für viele von uns Privatanlegenden wichtig, weil sie ein günstiges, weltweites Engagement in Aktien mit nur einem einzigen ETF ermöglichen.

Woher kommt diese außergewöhnliche Entwicklung?

Am Anfang war der Zins

Folgt man dem bekannten Howard Marks von Oaktree Capital (und seinen mittlerweile legendären ‚Memos‘, die es auf deren Webseite zum Herunterladen gibt), war das einschneidendste Ereignis mit den größten strukturellen Auswirkungen auf die Finanzmärkte nicht die Finanzkrise 2008, nicht Corona 2020 und auch nicht das Platzen der Tech-Bubble im März 2000.

Das Ereignis mit dem größten Wumm war für ihn der langsame und steige Rückgang des Zinsniveaus von knapp 16 % im Jahr 1981 auf rund 0 % im Jahr 2021. Ein Rückgang um 16 Prozentpunkte.

FRED US Zinsen seit 1960

(Quelle: FRED2, Federal Reserve of St. Louis)

Der war zu einem erheblichen Teil verantwortlich für die fulminante Börsenentwicklung und die satten Investitionsgewinne, die Investoren in dieser Zeit mit Aktien und Anleihen eingefahren haben.

Warum treiben fallende Zinsen die Märkte an?

Bei den Anleihen ist diese Mechanik sofort klar: Fallen Zinsen, steigen die Anleihen. Denn wenn das Zinsniveau gefallen ist, wollen Anleger lieber ‚alte‘, bereits bestehende Anleihen, die noch eine höhere feste Zinszahlung bieten. Diese Anleihen werden dann teurer. Zins runter, Anleihen rauf.

Von einem Rückgang der Zinsen profitieren aber nicht nur Anleihen, sondern auch Aktien, ja, so ziemlich alle Märkte.

Es gibt drei Wege, um sich das zu veranschaulichen:

  1. Wenn die Marktrendite niedriger wird, bleibt Investoren nur der Griff zu ‚riskanteren‘ Anlageklassen wie Aktien, um ihre (möglicherweise festen) Renditevorstellungen zu erfüllen. Durch die höhere Nachfrage steigen sie im Preis. Sie sind dann sogar bereit, wenn sie aufgrund der schon höheren Preise eine vergleichsweise geringere Rendite erwarteten können – solange die nur höher ist als diese verdammten, mickrigen Anleiherenditen (vielleicht sind dir selbst solche Gedanken noch aus der Zeit vor 2021 in Erinnerung).
  2. Ein in Aussicht gestellter Ertrag in der Zukunft (etwa der erwartete Gewinn eines Unternehmens) wird heute mehr wert, wenn die Zinsen fallen (in Original-Finanzsprech: Der Zinssatz für die Abdiskontierung wird geringer. Die künftigen Zahlungen werden mit einer niedrigeren Rate auf heute abgezinst, sie haben heute deshalb einen höheren Barwert. Investoren sind bereit, mehr dafür zu bezahlen. Der Preis steigt).
  3. Gleichzeitig können sich Unternehmen oder Privatpersonen günstiger Kredite aufnehmen. Dadurch lassen sich jetzt große Projekte, wie eine eigene Immobilie, leichter stemmen, was vorher nicht ging. Also steigt der Preis dieser Güter.

Fallende Zinsen wirken sich positiv auf die Preise aller Märkte aus. Sie sind ein gut funktionierender Motor.

Die große Frage ist: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich dieser Trend vom aktuellen Niveau in Zukunft genauso fortsetzen wird?

Hintergrund: Warum sind die Zinsen gefallen?

  • Normalerweise beschleunigt sich durch das Absenken der kurzfristigen Geldsätze durch eine Zentralbank die wirtschaftliche Aktivität.
    Unternehmen können – wie gerade gesehen – jetzt auch kostspielige Projekte leichter finanzieren, Privatmenschen fragen plötzlich mehr Immobilien und Bauleistungen nach und konsumieren mehr.
  • Das führt schnell zu steigenden Preisen auf breiter Front und damit mehr Inflation.
  • Die zu bekämpfen (oder genauer, für ‚Preisstabilität‘ zu sorgen) ist Aufgabe der Zentralbank. So wie die amerikanische Federal Reserve. Sie hebt die Zinsen in so einer Situation normalerweise wieder an.
  • Nun gab es aber in den vergangenen Jahrzehnten ungleich viele Faktoren, die Inflation entgegengewirkt haben (also eine ‚deflatorische Wirkung entfalteten‘): Etwa die Auslagerung der Produktion vieler Güter und Grundstoffe in damalige Billiglohnländer wie China, die ihre Spitze in den 1990ern und 2000ern hatte. Die Übernahme von mehr Produktionsprozessen durch Maschinen, die allgemeine technologische Entwicklung (Internet und Handy kamen auf). Und Energierohstoffe waren nach den beiden Ölkrisen der 1970er-Jahren wieder günstig verfügbar.
  • Wegen all dieser Dinge war Inflation lange kein Thema.

Die amerikanische FED und andere Zentralbanken konnten also munter an der Zinsschraube nach unten drehen, ohne dass sie sich groß um den sprichwörtlichen Inflationskater am nächsten Tag kümmern musste.

Das haben sie als probates Mittel immer wieder eingesetzt – zusammen mit staatlichen Hilfen hat das in der Finanzkrise 2008 und während Corona 2020 mit sehr hoher Sicherheit noch Schlimmeres verhindert.

In diesen Dekaden konnte man sich immer auf die gute alte FED verlassen, sobald sich irgendwo am Horizont dunkle Wolken zusammenbrauten. Legendär ist der viel zitierte ‚FED-Put‘, der schon kommen würde, wenn es mal wieder eng wird.

Es war eine sehr anlegerfreundliche Zeit also, wie ein Tag auf der Sommerwiese.

Bis die Inflation zurückkam

Erst 2021, als Staaten und Zentralbanken global massiv Staatshilfen direkt an Bürger verteilten, um den Corona-Schock zu bekämpfen, hat sich das geändert.

Das Geld kam diesmal direkt bei den Konsumenten an. Das hat während Corona zu einer Zunahme der allgemeinen Nachfrage geführt, und das wiederum – durch Angebotsverknappung aus Lieferkettenproblemen – zu steigenden Preisen.

Inflation – sie war wieder da. In einer Heftigkeit, die wir Jahrzehnte nicht mehr gesehen hatten.

Diese Entwicklung war in vielen entwickelten Ländern ähnlich. Hier Deutschland:

Inflation D

(Quelle: Deutsche Bundesbank)

Die Folge: Der schnellste und massivste Zinsanstieg in der Geschichte der Menschheit (nach meinem Wissen) und – weil die beschriebene Mechanik auch andersherum funktioniert – herbe Verluste bei Aktien und anderen Anlageklassen.

Hier das Blutbad unter den vermeintlich sicheren deutschen Staatsanleihen in 2021:

REXP

(Quelle: Deutsche Bundesbank)

Die Neue Welt: Diesmal wird es wohl wirklich anders

Nun hat sich die Inflation wieder beruhigt. Die Märkte steigen wieder. Der Corona-Einbruch ist im Chart kaum noch mehr als eine kurze Delle in weiter Ferne.

Fast könnte man sagen: War da was? Läuft doch, weiter geht’s!

Und doch gibt es einige strukturelle Gründe, warum ein ‚Genauso weiter‘ in den nächsten Jahrzehnten sehr unwahrscheinlich ist – ja, wir sogar gerade mitten in einer Zeitenwende stecken und Inflation und geringes Wirtschaftswachstum auf der Agenda bleiben werden.

Hier kommen einige von Ihnen:

Bisheriger Marktanstieg und künftige Gewinne der Unternehmen

Hier gibt es zwei Dinge, die Enttäuschungspotenzial haben:

1) Märkte preisen bereits eine Wiederholung künftiger Gewinnsteigerungen ein

Es ist kein Geheimnis, dass besonders die amerikanischen Märkte schon recht ordentliche Bewertungsniveaus erreicht haben. Das kann man sich verdeutlichen, wenn man den Aktienpreis ins Verhältnis setzt zum mehrjährigen Durchschnitt der Unternehmenserträge. 

Das sogenannte ‚Shiller-PE‘ oder auch ‚CAPE-Ratio‘ ist eine sehr beliebte Zahl, um sich anzusehen, wie teuer Märkte gerade sind

CAPE

(Quelle: Robert Shiller, Yale University)

Aktuell stehen wir bei einem Shiller-PE von 34. Investoren brauchen also 34 Jahre, bis die Gewinne der Unternehmen die Höhe ihres Einsatzes verdient haben. Höher war dieser Wert nur während der Dotcom-Blase und Ende 2021.

Das bedeutet nicht, dass morgen alles zusammenbricht – diese Zahl liegt schon länger über ihrem historischen Durchschnitt. Aber die Luft für weitere Anstiege ist einfach dünn geworden – besonders für Anstiege in dem Ausmaß der letzten 40 Jahre.

Nur in rund 3 % der Zeit war diese Maßzahl höher als heute. Selten wurden Erträge also so hoch bewertet wie aktuell. Und selten war ein so starkes künftiges Wachstum nötig, damit Unternehmen in ihre Bewertung ‚hineinwachsen‘ können.

Was aber wäre, wenn die Unternehmenserträge in der Zukunft doch so richtig Gas geben würden? Dann hätten sie doch diese Bewertungen verdient?

2) Die übermäßig starken Gewinnanstiege der letzten Dekaden hatten externe Gründe

Der Economist hat in seiner aktuellen Ausgabe nachgerechnet:

Zwischen 1962 und 1989 stiegen die Nettogewinne der Unternehmen um 2 % pro Jahr (nach Inflation)

Zwischen 1989 und 2019 gaben sie dann richtig Gas und haben sich verdoppelt auf mehr als 4 % pro Jahr.

Also alles gut? Das erlaubt doch die höhere Bewertung gegenüber der vor 30 Jahren?

Es gab allerdings einen Treiber in dieser Zeit, den viele nicht auf dem Schirm haben: Der phänomenale Rückgang der Unternehmenssteuern in so ziemlich allen entwickelten Ländern. Wir sprechen über eine Halbierung oder noch mehr:

Corporate Tax Rates

(Quelle: taxfoundation.org)

Werden die Steuerzahlungen geringer, bleibt für die Investoren mehr übrig (in Deutschland bleiben jetzt etwa 30 % der gesamten Gewinne von der Steuer verschont, die in den 1980ern noch abgeführt hätten werden müssen). Gleichzeitig fielen auch die Finanzierungskosten – eben wegen der fallenden Zinsen von oben.

Der Anstieg der Nettogewinne in den letzten 30 Jahren sind in Wirklichkeit ein Artefakt geringerer Steuern und Zinskosten.

Wie wahrscheinlich ist es nun, dass es, dass sich diese Entwicklung wiederholt – die Steuern müssten dann auf null und die Zinsen auf unter -10 % fallen?

Das ist ernst zu nehmen und hallt in vielen Publikationen wieder: Michael Smolyansky spricht in seinem FED-Report vom ‚Ende einer Ära‘. Goldman Sachs sieht ‚aus dem Rückenwind der letzten 30 Jahre keinen Auftrieb mehr kommen‘. Und AQR schreibt, dass ‚eine Wiederholung der Aktienmarktperformance des letzten Jahrzehnts heroische Annahmen erfordern würde‘.

Leider ist das aber noch nicht alles. Es gibt noch mehr strukturelle Faktoren, die in Zukunft die Wirtschaft des Westens belasten und die Inflation fördern werden.

Keine Anti-Inflationswirkung mehr durch Globalisierung

China und andere Länder Asiens galten in den 90er- und 2000er-Jahren als ‚Werkbank der Welt‘. Vieles konnte man dort wesentlich günstiger herstellen als hierzulande. Das hatte eine ungemein dämpfende Wirkung auf Inflationsgefahren. 

Mit dem Aufstieg Chinas und anderer Schwellenländer steigen dort mit dem höheren Lebensstandard auch die Preise der Produktion. Die inflationsmindernde Wirkung ist nicht mehr so gegeben.

Protektionismus und De-Globalisierung

Die Medikamentenknappheit des letzten Winters und vor allem Corona haben gezeigt, wie schnell internationale Lieferketten zusammenbrechen können. Dazu wird China mittlerweile immer mehr als Bedrohung wahrgenommen.

Die Folge ist ‚Home-Shoring‘, viele Herstellungsprozesse werden wieder selbst im eigenen Land gemacht – zu oft höheren Kosten. Das verteuert Produkte und schiebt die Inflation an.

Mehr geopolitische Spannungen

Wir bewegen uns weg von einer unipolaren Welt mit einer starken Dominanz der USA, hin zu einer neuen geopolitischen Epoche mit multipolaren Kräfteverteilung. Das ist nicht erst seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Erstarken Chinas klar.

Das verursacht Spannungen. 

Sie führen oft zu Handelsbarrieren wie Zöllen, Sanktionen oder Embargos. Das stört den Fluss von Gütern und Dienstleistungen, was zu einer Verknappung von Ressourcen, Erhöhung von Kosten für Importwaren und zu einer Reduzierung des Wirtschaftswachstums und einer Steigerung der Inflation führen kann.

Abhängigkeit von (Energie-)Rohstoffen

Diese Spannungen wirken sich auch auf die Versorgung mit Energie und Basisrohstoffen aus. Alte, vermeintliche geostrategische Sicherheiten gibt es nicht mehr. Das bedeutet, dass die Märkte, aus denen wir unseren Energie- und Rohstoffbedarf decken, in Zukunft schwankungsanfälliger und unsicherer werden können.

Wir sind leider nicht in dem Teil der Welt, der über hohe Rohstoffreserven verfügt. Besonders Energierohstoffe wie Gas und Öl sind jedoch immer noch wichtig für viele Produkte. Werden sie teurer, schlägt sich das sofort in höherer Inflation nieder.

Hoher Verschuldungsgrad hemmt Wachstum

Der Verschuldungsgrad einiger westlicher Länder ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. In den USA hat er sich seit der Finanzkrise 2008 etwa verdoppelt und wächst weiter.

Ein hoher Verschuldungsgrad drückt langfristig auf Wirtschaftswachstum. Denn der Staat konkurriert mit privaten Marktteilnehmern um Kapital, treibt die langfristigen Zinsen nach oben. Kapital wird für Unternehmen teurer, Kreditaufnahme schwieriger. Das verlangsamt Innovation und Produktivität.

Dazu verschlingen wachsende Zinszahlungen einen immer größeren Teil des Staatshaushalts, sodass weniger Mittel für Forschung und Entwicklung, Infrastruktur und Bildung zur Verfügung stehen.

Was bedeutet das für deine künftige Anlagestrategie?

All diese aufgezählten Dinge bewirken strukturelle, bleibende Veränderungen. Sie wirken über mehrere Dekaden.

Für die Aktienmärkte bedeutet das: Der Rückenwind für die Märkte aus sehr geringer Inflation bei niedrigen Zinsen und stabilen Wachstum wird in Zukunft wegfallen, oder sogar zum Gegenwind werden.

Natürlich gibt es auch heute einige Faktoren, die ein positiv wirken auf Produktivität und Preisstabilität, so wie die neuen Entwicklungen bei künstlicher Intelligenz wie ChatGPT. Aber diese Technologie ist noch jung, und die Erfahrung zeigt, dass es nach dem Aufkommen einer neuen Technologie noch lange dauert, bis sie nachhaltig produktivitätssteigernd in der Breite eingesetzt wird. 

Wir werden also über die nächsten Jahrzehnte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in einem Regime mit ständig niedriger Inflation und stabilem Wachstum sein. Das Regime der Zukunft wird nachhaltig anders aussehen.

Das Weltportfolio verliert seine Außergewöhnlichkeit

Aktieninvestments haben in den letzten Jahren eine enorme Beliebtheit unter Anlegerinnen erfahren.

Und zurecht: Diese Form des Investierens hat so ziemlich jede andere Anlageform um Längen geschlagen.

Eine besonders ’smarte‘ Art ist hierzulande unter dem Namen ‚Weltportfolio‘ bekannt: Es ist Buy-And-Hold, mit einer Mischung aus weltweit gestreuten Aktien und Anleihen als ‚Sicherheitspuffer‘ (hier ein einführender Artikel mit der Idee. Es ist auch unter dem Namen ’60/40′ bekannt).

Weiter haben wir in diesem Artikel hier argumentiert, warum dieses Portfolio nicht prognosefrei ist, sondern ordentlich ‚Schlagseite‘ hat und nur in einem ganz bestimmten makroökonomischen Umfeld gut läuft: Bei fallenden Zinsen, stabilem Wachstum und niedriger Inflation – also genau, was während der 40 Jahre das vorherrschende Regime war.

Entsprechend fulminant hat sich dieses Portfolio entwickelt. Kein Wunder also, dass es an Popularität so gewonnen hat.

Wir stehen jetzt allerdings eher vor einer Welt, in der Zinsen wohl nicht mehr so fallen wie bisher, das Wachsen der Unternehmensgewinne nicht mehr durch fallende Steuersätze unterstützt wird, Bewertungen in den Hauptmärkten schon beachtlich sind (was vor 40 Jahren nicht der Fall war) und Unsicherheiten allgemein zunehmen.

In so einem Umfeld wird die Rendite des Weltportfolios nicht mehr so hoch ausfallen wie bisher.

Dazu hat sich dieses Portfolio historisch besonders schwergetan in Zeiten hoher Inflation – dummerweise ja genau die Zeit mit allgemein hohem Kaufkraftverlust.

Hohe Inflation geht oft einher mit hohen (Energie-)Rohstoffpreisen – bzw. wird sie eben genau durch diese getrieben.

Lyn Alden liefert in ihrem aktuellen Newsletter dazu einen passenden Chart, den ich hier nachgebaut wiedergebe. Eingezeichnet sind die Phasen ausgeprägter Inflation/hoher Rohstoffpreise, die sich aufgrund des Angebots-Nachfrage-Zyklus in schöner Regelmäßigkeit rund alle 30 Jahre wiederholen (also die 1910er-, 1940er-, 1970er- und 2000er-Jahre)

SP500 inflation adjusted

(Quelle: multpl.com)

Man sieht deutlich, dass Aktien und damit das Weltportfolio keinen echten Schutz gegen hohe Inflation geboten hat (mehr zu der Mechanik findest du in unserem Artikel hier).

So investierst du in der Zukunft

Diese neue Zeit – in die wir seit etwa 2021 unterwegs sind – wird uns wohl für die nächsten ein bis zwei Dekaden begleiten.

Die angesprochenen Änderungen auf dem Weg in diese Zeit sind allesamt struktureller und nicht zyklischer Natur.

Viel spricht dafür, dass wir hohe Schwankungen erleben werden – in beide Richtungen. In dieser Epoche wird es sicher auch Bullen- und nicht nur Bärenmärkte geben. Wegen der angesprochenen ‚Schlagseite‘ ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine konventionelle, passive Anlagestrategie, wie die typische Aktien-Anleihemischung im Weltportfolio, in den nächsten 1-2 Dekaden abzüglich Inflation wenig bis gar kein Wachstum erzielen wird, aber jeder Menge unangenehme Schwankungen produzieren wird.

An die goldene Periode, aus der wir gerade kommen, wird so ein Portfolio nicht anknüpfen können – eben weil es so gut an die ‚alte Welt‘ angepasst ist.

Wollen wir Risiken vernünftig unter Kontrolle halten und um eine passable Rendite erzielen, werden wir ganz andere Arten von Anlagestrategien benötigen, als diejenigen, die bisher den größten Erfolg beschert haben.

In den Worten von Ray Dalio:

The worst thing one can do, especially late in a paradigm, is to build one’s portfolio based on what would have worked well over the prior 10 years.

Wie kannst du dich darauf vorbereiten?

Einfach Aussitzen wird nicht helfen, denn solche ungünstigen Phasen dauern oft mehrere Dekaden – zu wenig Zeit für unser begrenztes Investorenleben.

Schaut man sich die Historie an, hat in diesen Zeiten echte Diversifikation mit anderen Anlageklassen geholfen. Besonders das Halten von Energie-Rohstoffen, und Basismaterialien wie Kupfer, Silber etc. war vorteilhaft und hat gut als Absicherung funktioniert (das macht auch intuitiv Sinn: oft sind es ja gerade die Energierohstoffe, die Kosten und Inflation antreiben und Gewinnmargen verkleinern).

Aber auch inflationsindexierte Anleihen und rohstofflastige Währungen haben in der Vergangenheit geholfen.

Und schließlich helfen auch die Aktien von Rohstoffe produzierenden Unternehmen.

Es macht also durchaus Sinn, neben Aktien über einen ständigen strategischen Energie- und Rohstoffanteil in deinem Portfolio nachzudenken. 

Auch dafür gibt es mittlerweile ETFs oder ETCs.

Zusammenfassung

Wir haben in den letzten fünf Jahren eine weltweite Pandemie, die größten Konjunkturprogramme in Friedenszeiten, eine Inflation auf höchsten Stand seit Jahrzehnten und die schnellste geldpolitische Straffung seit einer Generation erlebt. Und wir erleben wieder militärische Aggression in Europa – quasi in unserer Nachbarschaft.

Dies ist sicher keine ‚ruhige’ Periode in der Geschichte.

Und es ist unwahrscheinlich, dass sie im nächsten Moment wieder ruhig wird.

Das konfrontiert uns mit Unsicherheit.

Dazu gibt es eine ganze Menge struktureller Gründe, warum wir auf den Finanzmärkten gerade in der größten Zeitenwende seit Generationen stecken.

All diese Veränderung und Unsicherheit ist kein Grund für Panik. Aber wir müssen uns dieser neuen Epoche stellen und darauf reagieren, wenn wir weiter erfolgreich anlegen wollen.

Dafür ist es wichtig, den eigenen ‚Recency Bias‘ zu überwinden und nicht zu erwarten, dass alles einfach so bleibt, wie es ist.

Das richtige Wissen ist beim Investieren der Schlüssel zum Erfolg. Nur wenn du weißt, was du tust, kannst du auch Vertrauen entwickeln. Und nur, wenn du vertrauen kannst, wirst du auch langfristig erfolgreich anlegen.

Das richtige Wissen in der richtigen Dosierung gibt es zum Beispiel hier bei Papa & Paul. Wenn du mehr wissen willst, trag dich hier ein. Dann bekommst du Bescheid, wenn es Neuigkeiten zu Kursen gibt.

Dr. Christof Sigl-Grüb

Finanznerd. Vermögensverwaltungs-Veteran. Und Papa von Paul.

Christof hilft Menschen dabei, ihr Geld selbst besser anzulegen.
Wo andere bei der Geldanlage aufhören, fängt er erst richtig an.

Er liebt alles mit Finanzen und Geldanlage. Er hat ein klassisches BWL-Studium, eine Promotion und fast 20 Jahre Berufserfahrung im Private Banking, Financial Planning und als Portfolio Manager im quantitativen institutionellen Asset Management.

Trotzdem kann man meist verstehen, was er sagt.

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