Wie deine Kinder beim Sparen leuchtende Augen bekommen
Kinder sind immer im Hier und Jetzt.
War der Plüschbär vor drei Minuten noch friedlich er selbst im Zoo, muss er sich jetzt in einer dramatischen Rettungsaktion wagemutig als Ersthelfer mit Zahnseide vom Baukran abseilen lassen. War der Zoff mit einer Kameradin heute Morgen aus Kindersicht mindestens so ernst wie Panzeraufmarsch am Checkpoint Charlie und Kubakrise zusammen, sind sie am Nachmittag wieder beste Freunde – als ob nie etwas anderes hätte gewesen sein können.
Ich finde das beneidenswert. Während wir Erwachsenen uns oft mit Achtsamkeitsübungen, Mindfulness oder Meditationspraxis abrackern müssen, damit wir einfach nur wieder kurz im Augenblick verweilen können, sind sie das ganz natürlich. Sie nehmen die Situation vorbehaltlos an, in der sie sind. Es gibt kein gestern und kein morgen.
Wir können viel von Kindern lernen.
Ein paar Dinge können sie aber auch von uns lernen.
Sparen, zum Beispiel. Dieses etwas seltsame Konzept ist nämlich gar nicht so leicht zu vermitteln. Wieso um alles in der Welt sollte man Geld für irgendeine abstrakten ‚Zukunft‘ aufbewahren, wenn man richtig tolle Dinge dafür hier und jetzt haben kann – ganz ohne lästiges Warten? Wer denkt sich denn sowas aus?
Ein bestechendes Argument. So gut, dass meine entgegengeschickte, logische Standardbegründung aus dem Studium mit Nutzenfunktion, intertemporaler Konsumpräferenz und größerem marginalen Grenznutzen auf halben Flug abstürzt und noch vor dem Aufschlag eingetrocknet ist.
Da muss was Praktisches her.
In diesem Artikel erfährst du, wie wir es geschafft haben, dass Paul gerne spart. Es hat etwas Zeit und zwei Versuche gedauert. Falls du das spannend findest und selbst auch ausprobieren möchtest, gibt es eine passende Vorlage zum Download am Ende des Artikels.
Sparen ist wichtig – das ist nicht neu
Mit Geld umgehen zu können, ist wichtig fürs Leben. Das brauche ich dir nicht zu erzählen.
Sparen ist ein wichtiger Teil beim Umgang mit Geld. Die beste Investmentmöglichkeit hilft nichts, wenn ich alles immer sofort ausgebe. Mein Vermögen wird nie wachsen. Wir müssen den Kindern also die richtigen Impulse mitgeben.
Bloß wie?
Ich selbst bin mit der klassischen Spardose aufgewachsen. Meiner Oma war immer fleißig dabei, mir die Funktionsweise schmackhaft zu machen. Die Gute. „Was du da reinwirfst, bleibt da, bis es ganz viel geworden ist. Dann kannst du dir was Großes leisten“. Das Konzept war zwar ein Stück weit einleuchtend. Aber auch weit weg und auf keinen Fall sexy.
So hat es bei uns geklappt
Versuch 1
Besonders als Mensch, dem Geldanlage noch als Hobby Spaß macht, ist es mir natürlich besonders wichtig, Paul möglichst früh einen ‚guten‘ Umgang mit Geld nahezulegen.
Wie geht das am besten?
Mit den richtigen Anreizen dachte ich mir. Belohnung ist immer besser, als ein erhobener Zeigefinger. Was kann da mehr helfen, als Zinsen auf das Ersparte?
Das hat gleich mehrere Vorteile:
- Er bekommt auf spielerische Weise mit, wie das mit Zins und Zinseszins funktioniert.
- Die Belohnung ist direkt gekoppelt an das Sparen: je länger er spart, umso größer wird die Belohnung.
- Das Ergebnis ist nachvollziehbar und getrennt von uns als Personen (er wird immer gemocht, Sparen ist nicht Voraussetzung um gemocht zu werden).
- Es entsteht nicht die seltsame Situation, Nichtkonsum mit Konsum zu belohnen.
Ich hatte die Befürchtung, dass die zu der Zeit am Markt üblichen Negativzinsen tendenziell ungeeignet für diese erzieherische Maßnahme waren. Also habe ich mich kurzerhand selbst zur Bank erklärt und ihm den ungeheuerlichen Betrag von 10 % Zinsen pro Jahr angeboten auf alles, was er am Monatsende in seiner Spardose hat. Mit monatlicher Abrechnung.
Wir haben uns dann am Monatsende zusammen hingesetzt, seine Spardose auf den Kopf gestellt, gezählt und ich habe ihm die für den letzten Monat angefallenen Zinsen direkt in Cash ausbezahlt.
Das ging ungefähr ein knappes halbes Jahr lang gut. Danach ist es eingeschlafen. Nicht nur Paul hat es vergessen – ich auch. Er fand das natürlich schwer ok, Geld zu bekommen. Aber es war immer extra Aufwand. Neu gespart hat er in dieser Zeit nicht viel.
Lief nicht und war irgendwie anstrengend.
Versuch 2
Der Grund war recht offensichtlich.
Am Monatsende Geld zu bekommen, ist zwar ein schönes Erlebnis. Aber das hat für den Moment, in dem er entscheidet, ob er Münzen in seine Spardose wirft, keine Bedeutung. Es ist einfach zu weit weg. Das Gehirn verbindet beides nicht automatisch. Es ändert sich ja auch erst einmal nichts – außer, dass weniger Geld zum Ausgeben da ist.
Besser wäre es doch, sofort im Moment des Weglegens einen Unterschied zu sehen.
Das geht – mit einem einfachen Kniff. Ein (leider verloren gegangener) Twitter-Thread hat mich darauf gebracht. Das ganze geht so:
Wir tragen den Stand seines Ersparten ganz professionell mit Datum in ein Excel-Sheet ein. Darin werden auch die Zinsen automatisch ausgerechnet. Nach jeder Zinszahlung kommt der neue Kontostand darunter. Wichtig ist jetzt, dass wir nicht wie vorher nur eine neue Zeile für jeden neuen Monat haben. Der Trick besteht darin, dass jeder einzelne Kalendertag eine eigene Zeile bekommt und in jeder Zeile die Zinsen für diesen Tag ausgerechnet werden.
Damit kann der junge Sparer sofort sehen, wie viele Zinsen alleine heute dazukommen.
Die Wirkung ist verblüffend „Schau mal, Paul. Heute Abend wird dein Erspartes schon wieder 8 ct. mehr wert als jetzt in diesem Moment.“ Ich kann mich noch an Pauls Gesicht erinnern, als er zum ersten Mal gesehen hat, dass er durch Nichtstun jeden Tag 8 Cent bekommt. 8 Cent mögen nicht viel sein. Aber die Wirkung ist viel unmittelbarer als einmalig 2,40 EUR am Monatsende.
Und jetzt kann er auch noch sofort sehen, was passiert, wenn er die 10 EUR in seiner Hand einzahlt. Man muss es nur am heutigen Tag ins Feld ‚Einzahlungen‘ schreiben.
Dazu gibt es noch eine Grafik, die sich automatisch aktualisiert – und die natürlich ansteigt.
Ach, und wegen des Zinseszinseffekts sind es in vier Monaten übrigens schon 9 Cent pro Tag. Von ganz alleine.
Paul darf über sein Guthaben komplett frei verfügen. Er kann jederzeit etwas einzahlen und sich auch wieder etwas auszahlen lassen. Bisher hat er nur eingezahlt. Er kommt dann, wir machen das Excel-Sheet auf und tragen die Einzahlung ein.
Ich war selbst überrascht, was eine andere Art der Darstellung ausmachen kann. Es hat sich ja nichts geändert. Er bekommt immer noch 10 % Zinsen. Aber jetzt eben täglich sichtbar.
Hier ist die Vorlage zum Herunterladen
Falls du das mit deinen Kindern auch einmal ausprobieren möchtest, hier gibt es das Excel-File zum Download:
Wie funktioniert’s?
Ganz einfach: Du musst nur Eingaben in blau hinterlegte Felder machen.
Ergänze zuerst das Wichtigste: den Namen des oder der jungen SparerIn. Dann trägst du den Zinssatz ein, den du zahlen möchtest und das erste Datum links oben (beachte: dadurch, dass die Verzinsung jeden Tag stattfindet und damit neu hinzugekommene Zinsen bereits an jedem einzelnen neuen Tag wieder verzinst werden, steigt das Guthaben auf ein Jahr gerechnet stärker an, als der eingegebene Wert. Wenn du oben beispielsweise 10 % einträgst wie wir, wächst das Guthaben aufs Jahr gerechnet mit knapp 16 %).
Du musst dann nur noch für jeden einzelnen Tag eintragen, was dein Sprössling ein- oder auszahlt. Der Rest geht automatisch. Bei jeder Änderung erscheint sofort der tägliche Zins und die Grafik aktualisiert sich.
Für uns war die Sichtbarkeit der Änderungen auf täglicher Basis ein echter ‚Game Changer‘. Wir würden gerne hören, wie es dir damit geht. Schreib uns in die Kommentare, ob das bei dir einen ähnlichen Unterschied gemacht hat. Oder ob bei dir vielleicht etwas anderes besser funktioniert hat? Wir sind wirklich neugierig und lernen gerne dazu.
Dr. Christof Sigl-Grüb
Finanznerd. Vermögensverwaltungs-Veteran. Und Papa von Paul.
Christof hilft Menschen dabei, ihr Geld selbst besser anzulegen.
Wo andere bei der Geldanlage aufhören, fängt er erst richtig an.
Er liebt alles mit Finanzen und Geldanlage. Er hat ein klassisches BWL-Studium, eine Promotion und fast 20 Jahre Berufserfahrung im Private Banking, Financial Planning und als Portfolio Manager im quantitativen institutionellen Asset Management.
Trotzdem kann man meist verstehen, was er sagt.
Top coole Idee. Super!
Da fällt mir gleich noch eine Motivation ein. Den Preis für etwas (ein „Ding“) eingeben, dass man sich gerne kaufen möchte.
Szenario I:
Laufen lassen und sehen, dass man in X Tagen / Monaten / Jahren das „Ding“ durch Ansparen und Zinsen kaufen kann.
Szenario II:
Kleine Simulation. Wenn ich jeden Monat / jede Woche X € extra einzahle, wann kann ich mir dann das „Ding“ kaufen. Auch mit schöner Grafik die zeigt wie sich die Zeit durch sparen verkürzt, bis es da ist, das „Ding“.
Wahreinschlich wird es dann gar nicht mehr gekauft und zum Ende hin durch ein neues noch teureres „Ding“ ersetzt. Eine gute Vermögensbasis wurde ja bereits angespart.
Viele Grüße
Hi Torsten,
danke, Du hast sehr gute Ideen.
Ich habe selbst auch überlegt, etwas Ähnliches mit eigenen Feldern noch einzubauen. Ich habe mir dann allerdings gedacht, dass es so einfach und übersichtlich leichter zu nutzen ist. Kern des Erlebnisses ist ja zu sehen, was genau heute passiert. Das ist greifbar für Kinder.
Man kann beide Szenarien – mit etwas Kopierarbeit – trotzdem durchspielen.
Super, klingt wie Musik in meinen Ohren.
Der Schreibstil gefällt mir auch sehr, trotz so trockenes Thema, hab ich den Artikel zu Ende gelesen (also fast ganz).
Meral, Du bist die größte 🙂